H.H.J., 1920

Traum zu Ugrino, frei nach Hans Henny Jahnn

Erloschenes Ugrino

Ich erinnere mich im Traum der dicken Eichenbalken; aber es verschwindet wieder. Man muß sie doch zeichnen können und bauen, wenn man sie einmal sah! Ich denke einen Augenblick an ein gotisches Fenster mit einem bronzenen Gitter davor. Ich wußte, daß ich es einmal geträumt hatte; nun aber wollten mir die Ornamente nicht wieder einfallen. Ich grübelte und sagte nach langer Zeit: solche Schönheit kann es ja gar nicht geben. – Aber ich sah es doch! – Ich dachte auch schon an die kleine Sakristeitür – und der ganze Dom erstand vor mir; aber ich konnte im Grunde nichts festhalten.

Nun lag ein langer, durch viele Säulen getragener Gang vor mir, an dessen Wänden hin und wieder in großen kupfernen Leuchtern Kerzen brannten. Säulen unwägbarer Schwere, geheimnisvolles Dunkel. Mir waren sie bekannt. Ein Tor, auch das mir bekannt, ein tiefes Wölben wie aus meinem Blut. Mein Herz krampfte sich zusammen, als nun das Tor immer größer wurde und nichts weiter war als eine steingewordene Gebärde. Ich hatte beständig das Gefühl, als müßten unsagbar tiefe Dinge hinter all diesen Gebärden sein, die mir Bogen und Wölbungen und Lichter ausstellten. Dies Gefühl wurde auf Augenblicke so dringend, daß ich vermeinte, in der Vorhalle eines Grabgewölbes zu sein. – Dann fiel meinen Leib ein heftiges Zittern an. Plötzlich überkam es mich wie entsetzliche Furcht, ich hatte niemals die Gruft meiner Urgroßeltern im Heiligen Geist zu Rostock gesehen. Wenn es das war! Wenn es diese Kirche – war und ihr Wohnhaus, das ich meinte.

Ich richtete mich im Bett auf, wollte mir etwas überlegen. Aber ich fragte mich nur, was es wohl auf der Welt geben könnte, das mich noch faszinierte, und ich hörte es in mir: Ganz hohe Gewölbe bauen, gotische Gewölbe aus grauem Stein, ganz von solchen Mauern getragen, die nie bersten – so dick. Es war wie ein Bild und zerging wieder.

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